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Hilal Sezgin ist Schriftstellerin, Journalistin, Autorin und in der Jury des Deutschen Sachbuchpreises 2021. Hier spricht sie über Überraschungen bei der Juryarbeit und die perfekte Lesehaltung:
Das Verrückte ist, dass man am meisten von der Jurytätigkeit hat, wenn man auf nichts Besonderes gespannt ist – sondern die Bücher einfach liest, wie sie kommen. Im Laufe der letzten Jahre ist mir das schon oft passiert, dass ich mich für ein Thema eigentlich gar nicht so interessiert habe, aber dann war das Buch so gut geschrieben, die Autorin war so klug, oder die Stimme so souverän, elegant oder liebevoll, dass mich das Buch doch in Bann geschlagen hat. Das ist das Schönste daran.
Von den Verlagen bekomme ich zur Prüfung unverlangt viele Sachbücher zugesandt, und ich greife ständig danach. Heikler ist eigentlich die Frage: Wann liest man so ein Buch auch wirklich zu Ende? Wieso kommt es immer wieder vor, dass einen die ersten vierzig Seiten vollkommen fesseln, man ist sicher, man könnte viel aus dem Buch lernen – aber kaum legt man es zur Seite, rutscht es in den Hintergrund. Das ist ein Phänomen, das mich beunruhigt. Was ich hier alles an Erkenntnis verpasse!
Mit Notizen und ordentlichen Exzerpten zu jedem einzelnen Buch wäre es sicher systematischer und ich würde auch weniger vergessen, aber ich habe nicht die Disziplin dazu. Ich kritzele allerdings in Sachbücher viel hinein. Unterstreiche wichtige Passagen, kommentiere am Rand, mache ein Smiley, wenn ich lachen musste. Im Laufe der Jahre habe ich da so ein System entwickelt, das für mich gut funktioniert.
Ich habe übrigens noch ein „missionarisches“ Anliegen: Ich lese, wie viele Leute, am liebsten im Liegen, und das bedeutet einen ständigen Kampf mit Kissen und Ellbogen und ermüdenden Armen. Vor drei Jahren habe ich mir einen so genannten Relaxsessel mit passenden Armlehnen gekauft, und das ist ein Traum. Ein game changer, wie man so sagt. Ich werde nicht müde, das allen Leser:innen zu empfehlen. Außerdem besitze ich einen justierbaren Buch-Halter aus dem Behindertenbedarf, der hält mir die Lektüre perfekt vor die Nase. Kann mir nicht mehr erklären, wie ich je anders gelesen habe.
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