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#sachbuchpreisbloggen „Sisyphos im Maschinenraum“ von Martina Heßler


#sachbuchpreisbloggen „Sisyphos im Maschinenraum“ von Martina Heßler

Dano Senger, lust auf literatur

„Das Anliegen, mit Hilfe von Maschinen eine Welt ohne Fehler zu schaffen, erweist sich als eine unendliche Spirale der Maschinisierung. Der moderne Sisyphos werkelt endlos im Maschinenraum.“

Das für den Deutschen Sachbuchpreis nominierte Buch der Historikerin und Professorin für Technikgeschichte Martina Heßler hatte mich sofort thematisch angesprochen.
Denn in der Tat fühle ich mich bei meiner Arbeit als Ingenieurin oft als Sisyphos im Maschinenraum.

Die Computermodelle, die ich benutze und ohne die die oft komplexen und komplizierten statischen Berechnungen nicht möglich wären, laufen oft nicht stabil und ich brauche immens viel Zeit für die Fehlersuche. Andere Programme passen nicht zu 100% auf meinen Anwendungsfall und ich brauche ein kompliziertes Workaround - genauso wie für die Stahlteile, die falsch zugeschnitten oder gefertigt wurden.

„Jetzt müssen sich fehlerhafte, ungenügende Menschen um fehlerhafte, ungenügende Technik kümmern, oft mit Hilfe zusätzlicher, ungenügender Technik“

Das ist eine ziemlich treffende Beschreibung meines beruflichen Aufgabenbereichs.

Ich finde also viele meiner Gedanken, die ich mir schon seit Jahren über die fortschreitende Technologisierung und über die Natur meiner Arbeit mache, in diesem Buch wieder.

Heßler beschreibt in ihrem Buch den historisch gewachsenen Technikchauvinismus, also die Abwertung des Menschen im Vergleich zu Maschinen.

Dieser Glaube an den technological fix, oder seinen Nachfolger, den technological solutionismus - also daran, dass alle sozialen, politischen und ökologischen Probleme durch Technologie lösbar wären, wird aktuell wieder durch die KI-Entwicklung befeuert.

Dabei häufen sich mit wachsender Komplexität die Fehler, der Wartungsaufwand und die Anfälligkeit der eigentlich als fehlerfrei geltenden und nur durch den Menschen ausgebremsten Maschinen.

„Das Bild der perfekten und unfehlbaren Maschine war seit den 1970er Jahren offensichtlich Geschichte, auch wenn es in der Öffentlichkeit weiter bestand.“

Schon damals zeichnete sich eine Neubewertung von menschlichen Fähigkeiten ab.
Doch auch heute besteht der Glaube an das unerschöpfliche Potenzial von Maschinen unerschütterlich weiter, was sich gut an der KI- oder auch Roboterdiskussion zeigt.

„Maschinengläubigkeit hat sich tief in die kulturellen Erwartungen eingeschrieben. Zu häufig wurden in den letzten Dekaden die Fehlerhaftigkeit der Menschen und die Überlegenheit der Maschine betont. Zu häufig wurde das Bild der allwissenden und objektiven Maschine wiederholt, die nicht irren könne.“

Das Buch unterscheidet sich mit seinem hohen wissenschaftlichen Anspruch definitiv von eingängigerer populärwissenschaftlicher Literatur, was aber gleichzeitig den Unterhaltswert für mich etwas mindert. Heßler bleibt konsequent bei einer analytischen Perspektive und verzichtet weitgehend auf persönliche Meinung oder private Anekdoten. Wie du das wertest, liegt natürlich ganz an deiner persönlichen Lesemotivation und deinen Ansprüchen an ein Sachbuch.

Auch wenn Heßler selbst schreibt, ihr Buch wäre kein philosophisches, sondern ein historisches, stellt sie doch eine grundlegende philosophische Frage, die tief in die Sinnfrage unseres Seins reicht und die mich durch das Buch begleitet: War Sisyphos eigentlich ein glücklicher Mensch?

Zuletzt schließt Heßler ihr Buch mit der Anregung, statt nach immer neuen technologischen Lösungen und Maschinen zu streben, die Augen nicht für alternative soziale, gesellschaftliche und politische Lösungen für unsere Probleme zu verschließen.
Ein sehr wertvoller und nachhaltiger Gedanke!

„Die Welt ist voller Fehler. Das Fehlermachen, der Irrtum, der Makel gehören genuin zum Menschsein hinzu. Wie sehr sich Menschen auch bemühen, weder sie noch ihre Welt werden je perfekt sein.“

Der Originalbeitrag ist auf Dano Sengers Instagramkanal nachzulesen.


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